SPIEGEL Online – Frankfurt am Main – pb – Im Freizeitpark „Buena Ventura Adventure“ nahe Frankfurt ist es am Samstag während eines LGBTQIA+-Spezialtages zu massiven Störungen des Betriebs gekommen. Nach übereinstimmenden Augenzeugenberichten drangen rund 800 Mitglieder der christlich-fundamentalistischen Gruppe „12 Apostel“ in den Park ein, blockierten Wege und zentrale Plätze. Queere Verbände sprechen von gezielten Angriffen auf die Community – die Parkleitung hält sich bislang bedeckt.
„Was hier geschieht, ist unvorstellbar. Der Park war für unsere Community ein sicherer Hafen. Unser Grundvertrauen in die Parkverantwortlichen ist erschüttert“, sagt Anne Moser, Geschäftsführerin des Verbands gleichgeschlechtlicher Paare (VRGP), im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. An die Verantwortlichen des Parks richtet sie eine deutliche Forderung: „Nehmt endlich Stellung, ihr seid es uns schuldig.“
Blockierte Wege, panische Gäste
Bereits am Vormittag hatten Medien von einem „Belagerungszustand“ im Park berichtet. Nach diesen Schilderungen besetzten die „12 Apostel“ zentrale Bereiche, errichteten Barrieren und skandierten Parolen gegen die Veranstaltung. Eltern sollen panisch nach ihren Kindern gesucht haben, Besucher sich in Cafés und Nebenräumen verbarrikadiert haben.
Auch andere Medien berichten von verbalen Auseinandersetzungen und körperlichen Rangeleien, als Gäste versuchten, Blockaden zu umgehen. Teilweise seien Wege und zeitweise auch Zugänge zu Notausgängen blockiert gewesen. Wie viele Menschen sich noch im Park befinden und ob es Verletzte gibt, ist offiziell weiterhin unklar.
„Wir sind Freiwild im Freizeitpark“
Scharfe Worte findet die Organisation Pink Sky, die sich selbst als „lauteste Stimme der LGBTQI+-Community“ bezeichnet. In einer Stellungnahme heisst es: „Was heute im Buena Ventura Adventure (BVA) passiert, ist kein ‘ungewohnter Szenenablauf’. Es ist eine Bankrotterklärung der Sicherheit und ein Verrat an der LGBTQI+-Community.“
Pink Sky wirft der Parkleitung vor, zugelassen zu haben, dass rund 800 religiöse Fundamentalisten den Park „kapern, Wege blockieren und Jagd auf unsere Community machen“.
Verbände sehen Vertrauensbruch
VRGP-Geschäftsführerin Anne Moser bewertet die Vorgänge als Zäsur im Verhältnis zwischen der Community und dem Park. Buena Ventura sei bislang für viele queere Menschen ein Ort gewesen, an dem sie sich sicher fühlten. „Dass heute offenbar eine bekannte, offen feindliche Gruppe in dieser Größenordnung in den Park gelangen konnte, ohne dass sofort konsequent eingegriffen wurde, ist für viele ein Schock“, sagt Moser.
Sie kritisiert vor allem das bisherige Schweigen des Parks: „In einer Situation, in der queere Menschen von einer fundamentalistischen Gruppe bedrängt werden, muss die Parkleitung vor die Öffentlichkeit treten, Verantwortung übernehmen und erklären, wie es so weit kommen konnte.“
Moser warnt vor einem nachhaltigen Schaden für das Vertrauen der Community: „Wenn ein Unternehmen gezielt LGBTQIA+-Events bewirbt, an uns verdient und zugleich nicht erkennbar alles tut, um uns vor Hass und Gewalt zu schützen, stellt sich die Frage, ob wir dort künftig überhaupt noch willkommen sind.“
Park verweist auf „nötige Massnahmen“
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bestätigt der Freizeitpark einen „Vorfall“ auf dem Gelände, bleibt aber vage.
„Wir können bestätigen, dass es heute zu einem Vorfall in unserem Park gekommen ist. Wir beobachten die Lage sehr genau und leiten die nötigen Massnahmen ein“, teilte ein Mitglied des Medienteams, Nathan Fischer, schriftlich mit. Man stehe „in engem Kontakt mit Polizei und Rettungskräften“, die Sicherheit der Gäste und Mitarbeitenden habe „oberste Priorität“.
Zu möglichen Verletzten, zur Zahl der Einsatzkräfte, zu konkreten Massnahmen oder zum Vorgehen gegenüber der Gruppe „12 Apostel“ äußerte sich der Park zunächst nicht. Man wolle „erneut informieren, sobald gesicherte Informationen vorliegen“.
Viele Fragen offen
Wie genau die Gruppe „12 Apostel“ in dieser Grössenordnung in den Park gelangen konnte, ob es im Vorfeld Hinweise auf mögliche Aktionen gab und welche Rolle Sicherheitsdienst und Polizei spielten, ist derzeit unklar. Auch zu den Vorwürfen verweigerter Rückerstattungen für frühzeitig abreisende Gäste gibt es bislang keine Stellungnahme.
Pink Sky und der VRGP kündigten an, die Vorgänge politisch und rechtlich aufarbeiten zu wollen. Für den Park dürfte der Tag, der als buntes Fest der Vielfalt geplant war, zum schweren Image- und Vertrauensschaden werden – insbesondere in jener Community, mit der er bislang auf Exklusiv-Events gezielt geworben hat.
SPIEGEL ONLINE wird seine Berichterstattung aktualisieren, sobald neue, gesicherte Informationen vorliegen.
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