Nach aussen bunt, nach innen benachteiligt: Buena Ventura soll gleichgeschlechtliche Mitarbeitende schlechterstellen

SPIEGEL Online – Frankfurt am Main – pb – Nach dem Chaos beim LGBTQIA+-Event im Freizeitpark Buena Ventura Adventure erhält der Vorwurf der Doppelmoral neue Brisanz. Ein interner Whistleblower wirft dem Mutterkonzern Buena Ventura Inc. vor, gleichgeschlechtliche Paare im eigenen Unternehmen systematisch zu benachteiligen – ausgerechnet dort, wo man sich nach aussen als besonders queerfreundlich inszeniert.

In einer anonymen Mail an mehrere Redaktionen, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, heisst es, heterosexuelle, verheiratete Mitarbeitende und ihre Ehepartner erhielten vom Unternehmen einen bezahlten Flitterurlaub nach Orlando, Florida. Homosexuelle Mitarbeitende bekämen bei der Eheschließung mit ihren Partnern keinen entsprechenden Urlaub. Gleiches gelte für weitere Familienvergünstigungen, die ausschließlich heterosexuellen Paaren offenstünden.

„Die für die LGBTQI+-Community durchgeführten Events sind nur ein Lippenbekenntnis“, schreibt der Hinweisgeber. Die Führungsetage zeige „mit ihrer Mitarbeiterpolitik ganz klar ihr wahres Gesicht“. Die Mitarbeitervertretung fordere demnach seit fünf Jahren eine Gleichbehandlung, die Geschäftsleitung verweigere jede Änderung. Der Absender bezeichnet sich als Mitarbeitenden der Buena Ventura Inc. und „garantiert für die Richtigkeit“ der Anschuldigungen.

Eine unabhängige Überprüfung der internen Praxis ist derzeit nicht möglich. Doch die Vorwürfe fügen sich ein in ein breiteres Bild: Bereits zuvor hatte die Organisation Pink Sky in einer Medienmitteilung von „Hungerlöhnen“ und einem „moralisch bankrotten System BVA“ gesprochen, das an Community-Tagen 25 Prozent mehr Umsatz erziele, gleichzeitig aber Einstiegsgehälter von sieben Euro brutto zahle.

Werteschau nach aussen – Schweigen bei konkreten Vorwürfen

Auf der Medienkonferenz am Sonntagmorgen in Frankfurt waren die Verantwortlichen des Freizeitparks mit den Diskriminierungsvorwürfen konfrontiert. Eine Stellungnahme wollten sie dazu jedoch nicht abgeben. Konkrete Fragen nach den angeblich unterschiedlichen Leistungen für hetero- und homosexuelle Mitarbeitende blieben unbeantwortet.

Stattdessen betonte der CEO der BVA Frankfurt AG mehrfach die eigenen Unternehmenswerte. Der Event sei „sehr gut“ gestartet, die Störungen im Parkbetrieb entsprächen „nicht dem, wofür wir stehen“. Buena Ventura stehe für „Offenheit“ und verurteile „jede Form von Diskriminierung und Gewalt“. Man sei „mutig genug, für unsere Werte einzustehen“ und verstehe sich als Unternehmen, das für „Offenheit, Respekt und Vielfalt“ stehe, sagte der Geschäftsführer.

Gerade vor diesem Hintergrund wirkt das Schweigen zu den konkreten Vorwürfen bemerkenswert. Während die Leitung auf der Bühne über Respekt und Vielfalt spricht, beschreibt der Whistleblower eine Mitarbeiterpolitik, in der die sexuelle Orientierung offenbar eine Rolle spielt – jedenfalls dann, wenn es um bezahlte Flitterurlaube und Familienvergünstigungen geht.

Systemfrage statt Einzelfall

Sollten sich die Angaben bewahrheiten, würde der Fall Buena Ventura über das gestrige Sicherheitsdesaster hinaus zu einer grundsätzlichen Systemfrage: Wie glaubwürdig ist ein Konzern, der sich mit Pride-Merchandising, Community-Tagen und queerer Bildsprache vermarktet, gleichzeitig aber im eigenen Haus verschiedene Mitarbeitergruppen ungleich behandelt?

Bereits in ihrer Erklärung zu den Löhnen schrieb Pink Sky, die Kultur der Respektlosigkeit mache vor der sexuellen Orientierung der Mitarbeitenden möglicherweise nicht halt; man prüfe Hinweise auf eine Benachteiligung von LGBTQIA-Angestellten. Der Whistleblower bestätigt nun genau dieses Bild: Die Gleichstellung sei seit Jahren Thema, die Unternehmensleitung blockiere.

Dass der Konzern ausgerechnet an Tagen, an denen er sich gezielt an die queere Community richtet, zusätzliche Profite erwirtschaftet, verstärkt den Eindruck einer doppelten Botschaft: nach außen „Love is love“, nach innen zwei Klassen von Mitarbeitenden – mit und ohne Zugang zu besonderen Leistungen.

Sicherheitskonzept „hat gehalten“ – für Verletzte eine bittere Botschaft

Auch in der Sicherheitsfrage blieben nach der Medienkonferenz viele Widersprüche stehen. Der Sicherheitschef erklärte, das Sicherheitskonzept habe „gehalten“. Angesichts von Berichten über blockierte Wege, panikartige Szenen und Verletzte – darunter Kinder – wirkt dieser Satz für Betroffene wie eine Ohrfeige.

Verbände wie Pink Sky und der Verband gleichgeschlechtlicher Paare (VRGP) hatten bereits zuvor von „Freiwild im Freizeitpark“ gesprochen und das Sicherheitsversagen scharf kritisiert. VRGP-Geschäftsführerin Anne Moser sagte, das Grundvertrauen der Community in den Park sei erschüttert.

Mit den neuen internen Vorwürfen verlagert sich der Fokus nun zusätzlich: Es geht nicht mehr nur darum, wie sicher queere Gäste im Park sind, sondern auch darum, wie fair queere Mitarbeitende im Unternehmen behandelt werden.

Druck auf den Konzern wächst

Buena Ventura Inc. steht damit an mehreren Fronten unter Druck: wegen des Sicherheitsdebakels, wegen der Arbeitsbedingungen – und nun wegen des Verdachts systematischer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare im eigenen Personalbestand.

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, ob es unterschiedliche Regelungen für hetero- und homosexuelle Mitarbeitende bei Flitterurlauben und Familienleistungen gibt, wollte sich der Konzern bislang nicht äussern.

Für den Mutterkonzern, der sich als internationale Freizeitparkmarke für „Family Entertainment“ und „Inclusion“ präsentiert, könnte der Fall zur Belastungsprobe werden. Gewerkschaften, Community-Organisationen und Politik dürften in den kommenden Tagen genau hinschauen, ob Buena Ventura bereit ist, seine internen Regeln offenzulegen – und an die eigenen Diversity-Versprechen anzupassen.

SPIEGEL ONLINE wird weiter über die Vorwürfe gegen Buena Ventura und die Reaktionen des Konzerns berichten.


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