Frankfurt – Nach den gewaltsamen Zwischenfällen beim LGBTQIA-Jubiläum im Freizeitpark Buena Ventura und den darauf folgenden Boykottaufrufen spitzt sich die Lage weiter zu. Führende LGBTQIA-Organisationen werfen dem Unternehmen systematische Diskriminierung homosexueller Mitarbeitender vor. Grundlage der Vorwürfe sind interne HR-Dokumente, die auch der Redaktion vorliegen. Auf diese Unterlagen beziehen sich Pink Sky und der Verband VRGP in einer am Samstag veröffentlichten gemeinsamen Medienmitteilung.

Darin sprechen die Organisationen von „Pinkwashing in Reinkultur“. Während Buena Ventura bei sogenannten Community-Days offen um die LGBTQIA-Community werbe und dabei deutlich höhere Umsätze erziele, würden queere Mitarbeitende intern benachteiligt. Die Diskrepanz zwischen öffentlichem Auftreten und interner Unternehmenspraxis sei gravierend.
Konkret beziehen sich die Vorwürfe auf Zusatzleistungen rund um Hochzeit und Familiengründung. Aus den der Redaktion vorliegenden HR-Unterlagen geht hervor, dass verheirateten Mitarbeitenden bestimmte Vergünstigungen in grosser Zahl gewährt wurden. Mitarbeitende in eingetragener Partnerschaft hingegen erhielten diese Leistungen nicht. So seien bezahlte Hochzeitstage und Flitterurlaub für Ehen vorgesehen gewesen, während für gleichgeschlechtliche Partnerschaften kein einziger entsprechender Fall bewilligt worden sei – selbst dann nicht, wenn Anträge gestellt wurden.
Besonders brisant ist nach Darstellung von Pink Sky und VRGP, dass diese Regelungen nicht lokal entschieden wurden. In der Medienmitteilung heisst es, die entsprechende Policy sei von der US-Muttergesellschaft Buena Ventura Adventure Inc. vorgegeben worden. Der Konzern habe damit eine diskriminierende Regelung importiert und umgesetzt.
Pink-Sky-Geschäftsführer Dominic Karrer erhebt in der Medienmitteilung schwere Vorwürfe. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden, der gestern und bei den vergangenen 25 Community-Days sein Ticket bezahlt hat“, wird Karrer zitiert. Weiter heisst es: „Buena Ventura will unser Pink Money, aber sie verweigern ihren eigenen queeren Mitarbeitenden die gleichen Rechte wie heterosexuellen Paaren.“ Das Sicherheitsversagen vom Freitag sei Inkompetenz gewesen, die zugrunde liegende Unternehmenspolicy hingegen „bösartige Absicht“. Pink Sky verweist dabei auf eigene Berechnungen, wonach der Park an Community-Tagen rund 25 Prozent mehr Umsatz erziele als an durchschnittlichen Betriebstagen.
Auch VRGP-Geschäftsführerin Anne Moser äussert sich in der gemeinsamen Medienmitteilung scharf. Der Vorfall vom Freitag sei ein Angriff auf die Community gewesen, auf den die Parkleitung ungenügend reagiert habe. Laut Moser habe es bis heute keine klare Distanzierung von der Gruppierung „12 Apostel“ gegeben. Stattdessen habe CEO Tobias Fässler erklärt, man respektiere deren Meinung. In Kombination mit der nun bekannt gewordenen HR-Praxis sei dies „Pinkwashing par excellence“. Ihr Fazit: „Nicht mit uns.“
Der Boykottaufruf ist mit konkreten Forderungen verbunden. Pink Sky und VRGP verlangen eine sofortige Anpassung der HR-Richtlinien mit vollständiger Gleichstellung eingetragener Partnerschaften, eine rückwirkende Entschädigung betroffener Mitarbeitender sowie eine lückenlose Aufarbeitung des Sicherheitsversagens vom 12. Dezember. Bis diese Punkte umgesetzt und schriftlich bestätigt seien, rufen die Organisationen dazu auf, den Park zu meiden – auch Sponsoren und Partner.
Nach zunächst ausbleibender Reaktion hat sich die Kommunikationsabteilung von Buena Ventura inzwischen gegenüber der Redaktion geäussert. In einer schriftlichen Stellungnahme betont das Unternehmen, man nehme die Vorwürfe sowie den Boykottaufruf „mit grösster Ernsthaftigkeit“ zur Kenntnis und bekenne sich vorbehaltlos zu Offenheit und gegenseitigem Respekt. Diskriminierung habe im Unternehmen keinen Platz.
Zugleich teilt Buena Ventura mit, das Management habe nach interner Prüfung und mit Zustimmung des CEOs sofort wirksame Entscheidungen getroffen. Die HR-Policy sei mit sofortiger Wirkung angepasst worden, um alle Mitarbeitenden unabhängig vom Zivilstand gleichzustellen – insbesondere bei Hochzeits- und Flitterurlaub. Die bisherige Ungleichbehandlung, die sich in den internen Dokumenten abgebildet habe, werde damit beendet.
Darüber hinaus kündigt das Unternehmen an, in Tarifverhandlungen mit der Gastro-Gewerkschaft einzutreten. Mitarbeitenden, die am Freitag einen besonderen Einsatz geleistet hätten, werde zudem ein zusätzlicher bezahlter Ferientag über die Feiertage gewährt. Den Boykottaufruf bedauere man, wolle aber den Dialog mit Pink Sky und VRGP suchen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Die Forderung nach einer rückwirkenden Entschädigung werde geprüft, eine Zusage dazu gebe es derzeit jedoch nicht.
Ob diese Schritte ausreichen, um den massiven Vertrauensverlust innerhalb der LGBTQIA-Community zu beheben, bleibt offen. Kritiker weisen darauf hin, dass die angekündigten Massnahmen erst nach öffentlichem Druck und Boykottaufrufen erfolgt seien – und zentrale Fragen, insbesondere zur rückwirkenden Gleichstellung, weiterhin unbeantwortet bleiben.
Was als Sicherheitskrise begann, hat sich damit zu einer umfassenden Debatte über Unternehmenskultur, Glaubwürdigkeit und gelebte Gleichberechtigung entwickelt. Für Buena Ventura wird sich nun zeigen müssen, ob den Worten und Ankündigungen nachhaltige Taten folgen.
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