Die jahrelange Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare bei Buena Ventura war offenbar kein lokales Versäumnis einzelner HR Stellen, sondern Teil einer konzernweiten Vorgabe. Nach SPIEGEL ONLINE vorliegenden internen Informationen wird die Policy zur Gewährung von Zusatzleistungen wie Flitterurlaub und zusätzlichen Hochzeits Ferientagen zentral von der Buena Ventura Adventure Inc. in den USA festgelegt.
Damit erhält der Fall eine neue Dimension. Die bislang vom Konzern angeführte Erklärung von „historisch angewendeten“ und automatisiert übernommenen Regelungen wirkt vor diesem Hintergrund nur noch begrenzt plausibel. Denn wenn zentrale Zusatzleistungen konzernweit gesteuert werden, liegt die Verantwortung nicht bei einzelnen europäischen Einheiten, sondern bei der Konzernzentrale.
BVA agiert teilweise hilflos
Nach internen Auswertungen erhielten verheiratete Mitarbeitende über Jahre hinweg bezahlte Flitterurlaube und zusätzliche Ferientage. Beschäftigte in eingetragener Partnerschaft gingen systematisch leer aus, obwohl entsprechende Anfragen gestellt wurden. Das Unternehmen räumte dies ein und kündigte inzwischen Anpassungen an. Warum jedoch eine in den USA definierte Policy über Jahre hinweg unverändert blieb, obwohl sich Rechtslage und gesellschaftliche Realität in Europa deutlich wandelten, bleibt unbeantwortet.
Besonders brisant ist, dass eingetragene Partnerschaften in mehreren Ländern, darunter auch in der Schweiz, seit Jahren rechtlich anerkannt sind. Die fortgesetzte Ungleichbehandlung war somit nicht nur eine Frage interner Unternehmenskultur, sondern kollidierte mit lokalen Gleichstellungsgrundsätzen. Dass eine US Zentrale entsprechende Unterschiede offenbar ignorierte oder bewusst in Kauf nahm, wirft Fragen nach der Sensibilität für internationale Rechtsräume auf.
Bislang vermeidet Buena Ventura jede klare Aussage dazu, welche Rolle Gleichstellungsgesetze und Diskriminierungsverbote aus Sicht des Konzerns spielen. Ob die US Zentrale rechtliche Risiken in Europa geprüft oder entsprechende Warnungen aus den Landesgesellschaften erhalten hat, bleibt offen. Auch dazu, ob lokale HR Verantwortliche Spielraum hatten, von der Konzernvorgabe abzuweichen, äussert sich das Unternehmen nicht.
Die neue Information relativiert zudem das Argument der fehlenden internen Kenntnis. Wenn Leistungen konzernweit geregelt sind, muss die Ungleichbehandlung bekannt gewesen sein, zumindest auf strategischer Ebene. Dennoch gibt es keine Hinweise auf interne Korrekturversuche, Eskalationen oder Anpassungen. Wer die Verantwortung trug und seit wann, bleibt ungeklärt.
Der Fall steht in einem auffälligen Kontrast zum öffentlichen Selbstbild des Konzerns. Noch vor kurzem erklärte Buena Ventura anlässlich eines Vorfalls bei einem LGBTQIA Event, man stehe „klar und seit jeher für Offenheit, Respekt und Vielfalt“. Diskriminierung widerspreche den eigenen Werten. Gleichzeitig galten zentrale Mitarbeiterleistungen weltweit nach einem Schema, das gleichgeschlechtliche Partnerschaften faktisch ausschloss.
Vorwurf des Pinkwashing
Der Vorwurf des Pinkwashing erhält damit neues Gewicht. Denn wenn Diversität nach aussen beworben wird, intern jedoch konzernweit eine andere Linie gilt, ist die Diskrepanz strukturell und nicht zufällig.
Offen bleibt auch die Frage nach möglichen Ansprüchen der Betroffenen. Ob aus der systematischen Ungleichbehandlung Nachgewährungsansprüche oder finanzielle Kompensationen entstehen, kommentiert Buena Ventura ebenso wenig wie mögliche Klagen. Angesichts der nun bekannten internationalen Steuerung dürfte diese Frage den Konzern jedoch nicht nur lokal, sondern global beschäftigen.
Die angekündigte Anpassung der Regelungen wirkt vor diesem Hintergrund weniger wie eine selbstbestimmte Kurskorrektur als wie eine Reaktion auf öffentlichen Druck. Ob Buena Ventura bereit ist, auch die Verantwortung der US Konzernzentrale offen zu benennen und die Vergangenheit aufzuarbeiten, wird entscheidend dafür sein, ob das Bekenntnis zu Vielfalt mehr ist als ein PR Versprechen.
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